Agile Schätzung: Definition und Techniken

Die Agile-Philosophie ist eine Sammlung von Werten und Grundsätzen, die dazu beitragen sollen, die Arbeit effizienter zu verwalten. Im weiten Sinne von Agile bezieht sich die Schätzung auf Expertenmeinungen darüber, wann eine Arbeitsaufgabe auf der Grundlage ihrer Komplexität abgeschlossen werden kann. Der Begriff „agile Schätzung“ hat sich in der Softwareentwicklung durchgesetzt und wird verwendet, um die Dauer einer bestimmten Entwicklungsarbeit zu quantifizieren.

Schauen wir uns an, wie Schätzungen in einem agilen Umfeld aussehen können, welche guten und schlechten Seiten Schätzungen haben und welche Techniken am häufigsten verwendet werden.

Der Agile-Ansatz zur Schätzung

Bei der agilen Arbeitsweise stehen Kundenzufriedenheit, Anpassungsfähigkeit und häufige Wertschöpfung im Mittelpunkt. Um die 12 Prinzipien des agilen Projektmanagements zu befolgen, greifen die Teams auf verschiedene Methoden und Konzepte zurück, die ihnen helfen sollen, ihre Arbeitsprozesse zu optimieren, ihre Flexibilität zu verbessern und schneller hochwertige Produkte zu liefern. Ein Eckpfeiler dieser Mission ist die Fähigkeit, zu bestimmen, wie lange die Arbeit dauern würde, bevor der Wertbeitrag an den Kunden geliefert werden kann.

Agile Methoden/Konzepte wie Scrum verwenden Story Points, die auf der bisherigen Geschwindigkeit des Teams basieren, um den erforderlichen Aufwand für die Fertigstellung der User Stories im Produkt-Backlog eines Teams zu schätzen. Methoden wie Kanban hingegen stützen sich auf historische Workflow-Daten, um wahrscheinlichkeitsbasierte Ergebnisse für die Dauer einzelner oder mehrerer Arbeitsaufgaben zu erstellen.

5 Techniken zur Arbeitsschätzung in der Agilen Entwicklung

Agile Teams neigen zu einem eindimensionalen Ansatz, wenn es darum geht, die Dauer der Arbeit zu schätzen. Richtig bemessene Arbeitsaufgaben helfen beispielsweise Scrum-Teams, die nächste Iteration zu priorisieren und ihre Kapazitäten besser zu planen. Um zu diesen Schätzungen zu gelangen, verwenden Entwicklungsteams verschiedene Techniken.

1. Schätzung mit T-Shirt-Größen. Die T-Shirt-Größe ist eine der Methoden, die von Scrum-Teams verwendet werden, um verschiedene Arbeitsaufgaben zu schätzen (User Stories, Epics, Initiativen). Die Arbeitsaufgaben werden jeweils anhand der Standard-T-Shirt-Größen XS, S, M, L, XL und XXL geschätzt. Die Größen bieten einen Überblick über die Komplexität oder den erforderlichen Aufwand, je nachdem, was das Team bevorzugt.
2. Relative Schätzung. Der relative Ansatz zur Arbeitsschätzung verwendet die Gruppierung bzw. Kategorisierung von Arbeitsaufgaben mit ähnlichem oder gleichem Schwierigkeitsgrad. Agile Teams, die diese Methode anwenden, verzichten auf absolute Schätzungen auf hohem Niveau.
   Ähnliche Ansätze sind Silent Grouping und Affinity Estimation.
3. Planning Poker. In Scrum verwenden Teammitglieder nummerierte Karten, um den User Stories Story Points zuzuweisen und die Komplexität der Arbeitsaufgaben zu bestimmen. Das Team diskutiert seine Schätzungen auf der Grundlage früherer Erfahrungen bzw. der Expertenmeinung und die vorherrschende Zahl wird als endgültige Schätzung der Aufgabe hergenommen. Die Aufwandabschätzungstechnik Planning Poker wird häufig von agilen Teams verwendet, die sich an dem Scrum- oder XP-Programming-Konzept orientieren.
4. Das Bucket-System. Agile Teams, die diesen Ansatz verwenden, besprechen Arbeitsaufgaben, die auf der Grundlage ihrer Komplexität in „Buckets“ (Eimer) unterteilt werden. Das Bucket-System ermöglicht es den Teams, eine große Anzahl von Arbeitsaufgaben schnell zu schätzen.
5. 3-Punkt-Schätzung. Das Modell der 3-Punkt-Schätzung ist ein wahrscheinlichkeitsbasierter Ansatz, bei dem jeder Arbeitsaufgabe drei verschiedene Werte zugewiesen werden, um optimistische, pessimistische und wahrscheinlichste Ergebnisse zu reflektieren. Der Ansatz ist nützlich bei großen und komplexen Projekten mit vielen unbekannten Variablen.

Was Sind Die Vorteile von Agilen Schätzungen?

Schätzungen können dabei helfen, die Arbeit aufzuschlüsseln, zu planen und zu priorisieren, um letztendlich die Effizienz des Managements agiler Projekte zu verbessern. Eine korrekte Aufwandabschätzung kann dem Projektmanagement auf verschiedene Weise zugutekommen.

• Verbesserte Koordination. Um zu einem gemeinsamen Verständnis über den tatsächlichen Arbeitsumfang zu gelangen, ist der Beitrag aller Beteiligten nötig. Daher verbessern Schätzungsverfahren die Kommunikation und Koordination im Team.
• Verbesserte Entscheidungsfindung. Teams können ihre Fähigkeit verbessern, die Arbeit im Backlog anhand der zugewiesenen Schätzungen zu priorisieren und ihre Planungsfähigkeiten zu verbessern.
• Besseres Risikomanagement. Eine korrekte Aufwandabschätzung legt den Grundstein für ein besseres Risikomanagement und verbessert die Chancen auf eine Lieferung in der erforderlichen Qualität und innerhalb des vereinbarten Zeit- und Kostenrahmens.

Fallstricke der Arbeitsschätzung

Die Agile-Philosophie beruht auf der Fähigkeit, sich anzupassen und Agilität über alle Organisationsebenen hinweg zu verbreiten. Die Aufwandabschätzung ist ein entscheidender Schritt bei dieser Aufgabe, der, wenn er nicht angemessen behandelt wird, leicht zu einem Schmerzpunkt im agilen Projektmanagement werden kann.

• Schätzungen können Ungewissheiten enthalten. Unabhängig von der gewählten Schätzungstechnik oder Maßeinheit werden Schätzungen kritisiert, weil sie Risiken nicht berücksichtigen können. Schließlich handelt es sich bei der Wissensarbeit nicht um homogene Arbeitsarten und die Komplexität der anfallenden Aufgaben kann stark variieren.
• Schätzungen können nicht endgültig sein. Der größte Nachteil von Schätzungen ist die Erwartung, dass der Aufwand, wenn er einmal abgeschätzt ist, Endgültigkeit besitzt. Es sollte immer eine Option sein, auf neue Bedingungen einzugehen.
• Schätzungen können falsch verwendet werden. Es ist nicht ungewöhnlich, dass sich Teams dazu hinreißen lassen, die vereinbarten Schätzungen als Verpflichtungen für die Zuweisung bestimmter Zeitpläne oder die Beurteilung von Teammitgliedern zu betrachten – was letztlich eine kontraproduktive und demotivierende Praxis darstellt.

Wer Ist Im Agilen Schätzungsprozess Eingebunden?

Die Schätzung ist eine Teamaufgabe. Jedes Teammitglied sollte in den Prozess der Arbeitsschätzung eingebunden werden. Agile setzt auf Zusammenarbeit, Kommunikation und Feedback auf allen Ebenen, um die Qualität zu steigern und die Wertschöpfung zu beschleunigen.

• Die Mitglieder des Entwicklungsteams (Programmierer, Designer, Qualitätssicherungsingenieure oder andere Spezialisten für Wissensarbeit) sollten alle in den Prozess der Schätzung der Dauer von Arbeitsaufgaben einbezogen werden, da dies sicherstellt, dass alle Expertenmeinungen in Betracht gezogen wurden. Außerdem fördert dies die Transparenz und ermöglicht eine gemeinsame Diskussion im Team darüber, wie die Arbeit effizienter erledigt werden kann.
• Teamleiter, Produktbesitzer und Scrum Master spielen eine wichtige Rolle, wenn es um die Schätzung von Arbeit geht. Sie sind die Moderatoren von agilen Zeremonien, die dem Prozess der Arbeitspriorisierung gewidmet sind. Ihre Aufgabe ist es, unbekannte Variablen, Fragen oder Diskrepanzen zu entdecken und weitere Diskussionen anzuregen.

Prognosen als Alternative zu Schätzungen im Agilen Projektmanagement

Die genaue Schätzung der Projektdauer ist ein wichtiger Schritt zur besseren Koordination zwischen Abteilungen und Teams, zur Priorisierung der Arbeit und zur besseren Planung (zumindest anfangs). Allerdings verlangt der hektische Markt heutzutage nach zuverlässigeren Ansätzen für die Aufwandabschätzung. Daher werden Prognosetechniken häufig von agilen Teams verwendet, um datengestützte Einblicke darüber zu gewinnen, wie man Risiken effizienter verbessern und verwalten kann.

Dies ist die Philosophie, die eine datengestützte Methode wie Kanban fördert. Schauen wir uns an, wie agile Manager die Dauer von Arbeitsinitiativen mit Kanban praktisch eingrenzen können.

Von Schätzungen zu Prognosen mit Kanban

Die Kanban-Methode des Arbeitsmanagements hat ihre Wurzeln in den Lean- und Agile-Managementmethoden. Im Mittelpunkt stehen dabei die Menschen, das Lernen und die kontinuierliche Verbesserung. Der adaptive Kanban-Ansatz stützt sich auf praktische Techniken zur Prognose der Arbeitsfertigstellung, wie z.B. Workflow-Daten. Auf diese Weise können Kanban-Projektleiter der Schwankungsanfälligkeit und Ungewissheit in der heutigen Wirtschaftslandschaft Rechnung tragen.

Die Kanban-Methode ermöglicht es Managern, mithilfe spezieller Werkzeuge die voraussichtliche Dauer verschiedener Arbeitsaufgaben zu prognostizieren, indem sie historische Daten über die Zyklusdauer und den Durchsatz für bestimmte Arbeitsarten sammeln.

Der erste Schritt bei der Kanban-Methode ist die Stabilisierung des Arbeitsflusses. Eine der wichtigsten Voraussetzungen für die Erstellung eines stabilen Workflows besteht darin, zu verstehen, wie Teams die eingehende und abgeschlossene Arbeit handhaben, und zu versuchen, die „Eingänge“ und „Ausgänge“ in Ihrem Prozess aufeinander abzustimmen.

Um dies praktisch umzusetzen, können Kanban-Teams ihre Workflows auf einem Kanban-Board abbilden und WIP- (Work-in-Progress) Limits verwenden, um ein Pull-System zu schaffen. Anschließend können sie das System nach und nach optimieren, um den Arbeitsbedarf mit den tatsächlichen Fähigkeiten in Einklang zu bringen und einen stabilen Arbeitsfluss zu ermöglichen.

Zur Überwachung und Analyse Ihres Workflows ist beispielsweise das kumulative Flussdiagramm von unschätzbarem Wert, da Kanban-Teams damit die wichtigsten Flow-Metriken wie Zyklusdauer, Durchsatz und WIP verfolgen können.

Durch die Anwendung dieser und anderer Praktiken können Kanban-Teams ihre Workflows vorhersehbarer gestalten. Die gesammelten Workflow-Daten können dann in Hilfsmitteln wie Monte-Carlo-Simulationen integriert werden, um Prognosen auf der Grundlage von Wahrscheinlichkeiten für die Arbeitslieferung zu erstellen. Mit Monte-Carlo-Simulationen können Sie beispielsweise sagen, wie viele Arbeitsaufgaben Ihr Team in einem bestimmten Zeitraum fertigstellen könnte. Oder Sie erhalten eine realistische Prognose darüber, wann eine bestimmte Anzahl von Arbeitsaufgaben abgeschlossen werden kann.

Die Analysewerkzeuge von Kanbanize beispielsweise verwenden echte Daten, damit auch verschiedenste Ungewissheiten und Risiken berücksichtigt werden können.

In Summary

Der Evaluierungsprozess zum erforderlichen Aufwand für die Fertigstellung einer bestimmten Arbeitsaufgabe, auch als Schätzung bezeichnet, kann mit einer Vielzahl von Ansätzen erzielt werden, die sich aus den verschieden Agile-Methoden ableiten. Agile Teams verwenden dabei verschiedene Schätzungstechniken wie z.B.:

• wahrscheinlichkeitsbasierte Monte-Carlo-Simulationen für Teams, die die Kanban-Methode zum Arbeitsmanagement verwenden
• T-Shirt-Größen für die Schätzung von Arbeitsaufgaben für Scrum-Teams
• Planning Poker für Scrum-Teams